24. Februar 2016

55. Björgunarsveit


Ich bin hier in Island in der Jugendmannschaft des Rettungsteams.
Die sogenannte Björgunarsveit rettet regelmäßig Menschen aus gefährlichen Situationen, freiwillig, ohne Bezahlung.
Oft müssen Touristen aus Situationen gerettet werden, die eigentlich vermieden werden könnten. Gerade neulich ertrank tragischerweise ein Mann an einem Bekannten Strand im Süden, namens Reynisfjara. Immer wieder passiert das. Warnschilder werden ignoriert, Menschen klettern zu Dutzenden an vereisten Wasserfällen herum, ignorieren Warnungen für Wetter und Straßensperrungen.
Und immer wieder passieren Unfälle,
immer wieder muss gerettet werden,
immer wieder bringen Menschen sich und andere in Gefahr.
Bevor ihr nach Island kommt recherchiert bitte zu dem Thema. Schaut oft nach dem Wetter, das ändert sich nämlich ständig (veður.is).
Schaut, wie die Straßen sind. Im Winter kann es schonmal passieren, dass man plötzlich gar nichts mehr sieht oder das Eis auf der Straße die Kontrolle über den Wagen übernimmt. Auf Hochstraßen, aber auch mitten im Ort. (http://www.road.is/)
In Island ist das Sicherheitsthema sehr aktuell und überall diskutiert.
Unfälle, wie der von Reynisfjara können einfach verhindert werden und müssen nicht passieren.

Einmal in der Woche treffen wir uns im örtlichen Björgunarsveit-Gebäude. Ein Schnellboot, drei Elektroschlitten, zwei Riesenjeeps, Nachtsichtgerät, Wärmebildkamera und alle mögliche erste-Hilfe-Ausrüstung.
Wir Jugendlichen helfen das ganze auf Vordermann zu bringen, haben Müll gesammelt, Flaschen und Dosen gezählt, durch geschrubbt, Wände gestrichen.
Zur Belohnung sind wir an einem Tag losgefahren, in einem der großen Jeeps, in dem 14 Leute Platz haben, Richtung Nordwesten. Dort irgendwo im nirgendwo, am Rande einer Hochstraße haben wir gehalten.
Alles war weiß, man könnte lange nicht erkennen, wo die Sonne war, später konnte man sie schließlich hinter Wolken als helle Scheibe ausmachen. Es lag Schnee in der Luft, aufgewirbelt vom starken Wind, der über die karge Landschaft pfiff.
Wir standen da irgendwo, als Kontrast zur Landschaft, eine bunte, exotische Truppe, weit weg von allem.
Sind Schlitten gefahren, wurden in einer halben, blauen Plastiktonne durch die Einöde gezogen, geschleudert, bis man irgendwann heraus purzelte. Wir sind auf den Elektroschlitten mitgefahren. Und mann macht das Spaß! Es war so surreal, dort irgendwo im isländischen Hochland.

Letztes mal haben wir eine Rettung simuliert, einer versteckte sich auf einem Hügel, wir spürten ihn mit Wärmebildkamera auf, eilten mit Trage über Hügel, über Graben, durch teilweise Oberschenkeltiefen Schnee. Mit ihm auf der Trage dann wieder zurück. Keiner von uns hatte Handschuhe oder Schneehose. Sehr dumm, wie wir nach ein paar Minuten in der Kälte merkten. Seit nicht leichtsinnig mit der Kleiderwahl hier, gute Schuhe, gute Jacke, Mütze, Schal und Handschuhe sind Pflicht. Schneehose kann nie schaden, macht auch viel mehr Spaß, völlig verpackt, da kann man sich auch einfach mal hinsetzen, ob Schnee oder nicht.
Ich bekomme Island aus nächster Nähe mit, höre, was die Bevölkerung über verhalten in der Natur lernt. Während ich das hier schreibe, liest mein Lehrer Wetter und Straßenbericht.
Genießt Island, aber seid weder leichtsinnig n
och dumm, sondern vorsichtig!







Lily

21. Februar 2016

54. Wenn Island tatsächlich echt Realität ist

Ich habe öfters Gedanken, habe Tagträume, in denen ich mich mit meiner Rückkehr nach Deutschland auseinandersetzte.
Wir alle spüren, dass uns die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt, Tage beginnen und enden. Ein großes Ereignis nach den anderen steht unmittelbar bevor.
Akureyri, Geburtstage, das Ende der Dunkelheit.

Von 5 Monaten, der Hälfte.
Zu 4 Monaten, weniger vor mir, als hinter mir.

Das Datum meiner Rückkehr ist so endgültig, so fest, wie es halt geht.
Diese Tatsache, dass es alles endet,
klar alles muss irgendwann ein Ende haben und doch lässt es einen verzweifeln.
Es lässt mich auf meinem Bett sitzend, den Tränen nah kommen, wenn ich daran denke, dass Freunde bald wieder auf der ganzen Welt verteilt sein werden, dass ich meine Freunde bald wieder haben werde.
Dass Isländisch durch Deutsch ersetzt wird, ich alles verstehen werde, dass alles irgendwie anders, aber doch so wie immer sein wird.
Es ist glücklich und traurig zu gleich. Verwirrend.
Als ich grade hier angekommen war fragte man mich immer, ob ich Deutschland denn nicht vermissen würde. Na klar, sagte ich dann. Aber ich sei glücklich hier zu sein.
Mittlerweile fragt man mich, ob ich mich nicht wieder auf Deutschland freuen würde. Ja und nein, sage ich dann.
Ich denke an meinen alten Alltag, überlege, in welche Richtung sich unsere Haustür öffnen lässt, kann mich nicht erinnern.
Mir fällt ein, wie sich Sommer in Berlin anfühlen,
Mamas Umarmungen,
Papas Lebensweisheiten,
die Neckereien und Diskussionen mit meinem Bruder.
Die Kleine sein,
Abende und Nachmittage mit guten Freunden.
Und ich vermisse es. Sehr.

Aber auf der anderen Seite denke ich auch immer öfter, dass es bestimmt viel geben wird, das ich vermissen werde, wenn ich wieder in Deutschland bin. All das wieder habe, das ich jetzt vermisse.

Die Weitsichtigkeit,
den Blick aus meinem Zimmer, den ich noch immer gespannt jeden Morgen, jeden Abend und zwischendurch betrachte, wie ein sich ständig wechselndes Gemälde,
Fahrten nach Reykjavík, á la, der Weg ist das Ziel, ist Autofahren in Island nämlich wunderschön.
Die Natur ist wie ein Museum, egal wohin man guckt, es ist atemberaubend.
Ich werde es vermissen aus meinem Fenster zu gucken und den Himmel zu sehen, wie ein Zelt. Sterne und Nordlichter, während ich im Bett kuschle.
Den Wind, der immer weht.
Dich und deine Gedanken durchbläst.
Das Gefühl bei scheiß Wetter mit lauter Musik und toller Aussicht über Glatteis durchs Dorf von Punkt A (Unten rechts) zu Punkt B (Oben links) zu schlittern.

Das wird schon, Þetta reddast.
Isländische Lebensmotto, das sich jeder einverleiben sollte.
Wir wollen nach Reykjavík, in 3 Stunden sind wir da. Schlafgelegenheit?
Þetta reddast!
Wir können es nicht so machen? Machen wir's einfach so.
Þetta reddast!

Menschen die mich Elskan (liebe) und Lily mín nennen, obwohl ich sie erst ein paar Monate kenne.
Takk fyrir daginn elskan mín.
Sich bedanken, wenns schön war.

Landleben, Outdoorleben.
So vieles, das ich als Stadtkind noch nie erlebt habe.
Was nur 260 Einwohner? Sagte man, bevor ich kam.
Was 260 Einwohner? Sagt man, wenn ich es jemanden aus der Hauptstadt erzählt.
Ja nur 260, und es ist toll.

Gespräche mit Kindern. Hier in meiner Schule, die Kinder von 6 bis 16 besuchen war ich von Anfang an bekannt. Und es dauerte nicht lange, da hatte ich auch schon eine Gruppe von Kleinen, die wenn immer sie mich sahen meinen Namen riefen und mich umarmten, das hält an bis heute. Ist süß, ist nervig, ist schön.

Bevor ich tatsächlich nach Island kam, war es für mich unmöglich mir ein tatsächlich echtes Leben hier vorzustellen. Jetzt nach ein paar Monaten, in denen ich mir ein tatsächlich echtes Leben aufgebaut habe, ist es schwer mir vorzustellen, dass etwas anderes existiert, in das ich tatsächlich echt zurückkehren werde.

Island hat vieles möglich gemacht.
Auch Fotos von mit in Lopapeysa und mit Engelsflügeln.
Lily


16. Februar 2016

53. Akureyrahelgi

Zusammen mit alles anderen Austauschschülern habe ich in verlängertes Wochenende in Akureyri, der Hauptstadt des Nordens verbracht.
Donnerstagnachmittag sind wir zu den anderen aus Reykjavik zugestoßen und alle zusammen im großen Reisebus gefahren. Durch Eis und Schnee, vorbei an Fjorden und über Bergstraßen.
In Akureyri haben wir zusammen in einem großen Saal einer ehemaligen Grundschule geschlafen.
Jedes Mal, wenn wir alle zusammen sind, ist es, als würden wir uns schon für immer kennen. Selbst ich, die ja nicht jeden Tag die Möglichkeit hat sie jeden Tag zu sehen, hatte super viel Spaß. Austauschschüler sind einfach toll.
Am Freitag sind wir noch vor Sonnenaufgang und Touristenmassen bei Minus 18 Grad zum Goðafoss gefahren, einem Wasserfall, der jetzt grade zauberhaft vereist ist. In eine Richtung guckend, konnte man sehen, dass der Himmel rosa-orange verfärbt war, sonst war er den ganzen Tag über weiß.
Genauso, wie die Landschaft, durch die wir den Tag über fuhren. Weiß ober, weiß unten. Den Übergang konnte man kaum ausmachen.
Wir haben am Mývatn gestoppt, zu Mittag gegessen, ein Schwefelfeld besucht und dann zu Naturbädern gefahren. Die sollen so schön, nein sogar schöner, als die so bekannte baue Lagune im Süden sein. Billiger, ruhiger, wunderschön entspannend.
In Akureyri waren wir dann Bowlen und haben Eis gegessen, bei dem berühmten laden Brynja.
Am Samstag sind wir zu einem Bauernhof gefahren, Kühe, Kälber, Schafe, Pferde, ein Ferkel. Heuballen-Wettrollen und Katzen streicheln.
Nach dem Mittagessen haben wir ein altes Haus besichtigt. Schräg, verwinkelt, klein, kalt. Die Vorstellung, das dort so viele Menschen drin gelebt haben, vor gar keiner so langen Zeit lässt einen echt nachdenken.
Dann waren wir noch im Jólahús, dem Weihnachshaus. Es waren noch 315 Tage bis Weihnachten, wir haben Karamell in den verschiedensten Geschmacksrichtungen gekauft und den Laden bestaunt.
Zurück in Akureyri ging's dann wieder ins Schwimmbad. Ich weiß echt nich, wie ich das in Deutschland in Hallenbädern aushalten soll. Es ist so viel schöner, an der frischen Luft, im heitta pottur!
Wir haben noch eine Schnitzeljagd gemacht, gute Taten getan, peinliche Geschichte erzählt, Männer mit großen Bärten verfolgt, um ein Selfie mit ihnen zu bekommen.
Meine Gruppe hat gewonnen! Und ganz typisch Afs, war unser Preis Accessoires zum bescheuert aussehen! (Krönchen, Zauberstab und Glow-in-the-dark Schnurrbärte)
Der restliche Abend war frei, alle blieben lange auf manche gingen gar nicht schlafen (und schrien beim aufwecken von uns anderen"Sleep is for the weak!"), nur um am nächsten Morgen im Bus sofort einzunicken.
Wir alle waren sehr traurig uns wieder verabschieden zu müssen, zu schön ist es zusammen, diese Afs Atmosphäre, in der man sich so unglaublich wohl und geborgen fühlt. In der man über alles reden kann, ohne erklären zu müssen, in der man diskutieren, lachen, spielen und gemeinsam doof sein kann.



































                             https://www.youtube.com/watch?v=Xb0V-5LOFKs&feature=share

Lily

1. Februar 2016

52. Isländisches Landleben, Slátur

Landleben ist nicht immer ganz so sauber, Geruch ist nicht immer frisch gebackener Kuchen, wie im Bilderbuch. Eher Schafkacke und Blut. Tut mir leid, wenn ich jetzt jemandem seine Träume nehme, es ist wirklich nichts für Leute, die sich schnell ekeln.
Ich hatte ja schon einige Erfahrungen beim Réttir im Herbst, traumhafte Kulisse ja, aber auch harte Arbeit.
Vor ein paar Wochen haben wir noch nachgeholt, was eigentlich noch dazugehört. Wir haben Slátur gemacht, isländische Blut und Leberwurst.
Einen ganzen Nachmittag haben wir gearbeitet, haben Fett geschnitten, haben Mägen teile zusammengenäht, die Füllung angerührt, die Mägen befüllt, sie verschlossen und gekocht.
Direkt danach gab es die fertigen Slátur zum Abendessen. Ich hatte es schon vorher, aber so frisch und selbstgemacht ist es noch um einiges besser, mir persönlich schmeckt die Leberwurst besser, aber am liebsten am nächsten Tag gebraten mit Zucker drüber, an Bratkartoffeln und Rüben.

Das Ganze hat sich so gut angefühlt. Ich weiß genau woher die Schafe kommen, weiß wie gut sie aufgewachsen sind, dann alles mit seinen eigenen Händen zu machen, so dreckig, blutig, stinkig und anstrengend. Und es ist wirklich ein tolles Gefühl.

Die Bilder sind vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber ich und meine isländische Familie hier, finden schon den Gedanken, an eure Gesichter zu lustig Also hier, isländische Landleben. Viel Spaß!













Lily